Johann Gesierich 1929-2023

Johann Gesierich 1929-2023

Mein Vater Johann Gesierich, genannt Hans, kam am 20. November 1929 in Würbenthal im deutschsprachigen Sudetenland, damals Staatsgebiet der Tschechoslowakei) als ältestes von fünf Geschwistern zur Welt. Sein Bruder Pepi starb bereits als Kind, die anderen vier hielten engen Kontakt bis ins hohe Alter.

Hans wuchs in einer streng katholischen Familie auf. Er kam mit 10 aufs Gymnasium nach Freudenthal, wurde aber in den letzten Kriegsmonaten als 15jähriger zu dem völlig sinnlosen Volkssturm eingezogen.

Zu einem tatsächlichen Kriegseinsatz musste er zum Glück nicht mehr antreten.

Trotzdem wurde er zu einem Arbeitseinsatz bei einem tschechischen Bauern namens Pouda verdonnert, was sich aber als Glück im Unglück entpuppte, weil dieser Bauer wohl ganz nett war und außerdem hatte mein Papa immer etwas zu essen was viele Leute nach Kriegsende nicht hatten. 1987 besuchte er diesen Bauern sogar noch einmal.

1946 wurde die Familie Gesierich – wie 3 Millionen andere Deutsche – aus dem Sudetenland vertrieben.

Eine neue Heimat fand die Familie – ohne ihren Vater, der war noch in russischer Kriegsgefangenschaft – 1946 in Magstadt bei Böblingen in der Villa Kress. Das hört sich luxuriös an, aber die ganze Familie musste in einem einzigen Zimmer wohnen.

Für seine 13 Jahre jüngere Schwester Elisabeth war er – während der Abwesenheit des Vaters – eine Art Ersatz-Papa und bis zu seinem Tode war ihm Elisabeth ganz besonders eng verbunden und er genauso seiner kleinen Schwester.

1949 machte er Abitur in Böblingen und studierte dann Betriebs­wirtschaft in Mannheim und München. Anschließend wurde er Lehrer an einer Münchner Berufsschule, später an einer Berufsoberschule.

Von allen Fächern lag ihm Französisch am meisten am Herzen und ab den 80ern bis zu seiner Pensionierung Anfang der 90er war für ihn Höhepunkt des Schuljahres die jährliche Studienreise mit seinen Schülern zu einer französischen Bank nach Straßburg.

Die Liebe zur französischen Sprache führte ihn auch zu seiner großen Liebe, nämlich zu meiner Mama, die er 1959 in Bordeaux auf einem Praktikum an einer französischen Schule kennenlernte.

1963 heirateten die beiden und 1966 kam ich als ihr einziger Sohn Alfred auf die Welt.

1967 erfolgte der Umzug von München nach Gilching in das Haus, in dem er die nächsten 56 Jahre – bis zu seinem Tod am 4. Mai 2023 – wohnen bleiben sollte.

Sein großes Hobby waren die Reisen, fast jedes Jahr nach Frankreich und manchmal auch nach Spanien – im Rentenalter dann Kanaren – allen voran die Insel La Palma.

Eines seiner Hobbys war der Singkreis, in dem er auch viele Freundschaften knüpfte.

Außerdem faszinierte ihn der Sternenhimmel. Bisweilen gab er der Nachbarschaft nächtlichen Unterricht, wenn sich ungewöhnliche Formationen am Sternenhimmel zeigten.

Im Jahr 2000, wurde er Großvater der kleinen Vanessa, mit der er immer gerne Zeit verbrachte. Er war ein stolzer Opa.

Ganz besonders ans Herz wuchs ihm seine Schwiegertochter Martina.

Als sich ab Mitte der Nuller Jahre der Gesundheitszustand meiner Mama zunehmend verschlechterte, wurden die Reisen seltener und im Dezember 2009 starb meine Mama.

Im Jahr darauf nahm er seine Reisen wieder auf und lernte dabei eine charmante Stuttgarterin namens Ilse kennen, mit der er einige Jahre lang viele Reisen unternahm. Für gelegentliche Irritationen bei Ilse sorgte, dass er sie bisweilen „Inge“ nannte. Kann man vielleicht verstehen nach 46 Jahren glücklicher Ehe.

Mit sanften Zwang brachte ihn Ilse auch dazu, sich in Stuttgart komplett neu einzukleiden, sodass ich direkt Schwierigkeiten hatte, bei der Abholung am Münchner Hauptbahnhof in dem eleganten Mann am meinen Vater wiederzuerkennen.

Ilse überredete ihn sogar 2x zu Reisen nach Südafrika, Flug erster Klasse mit Champagner und Kaviar!

Das hatte es früher nie gegeben, denn Hans und seine Frau Inge lebten stets sehr bescheiden. Aber es tat dem Hans gut, dass er es sich als über 80-jähriger noch mal richtig gut gehen ließ.

Leider verlief die Beziehung mit Ilse nach einigen Jahren im Sande und Hans Gesundheitszustand wurde ab 2015 zunehmend schlechter.

Zum Glück musste er nie in ein Pflegeheim umziehen, weil sich liebevolle Pflegerinnen um ihn kümmerten, ganz besonders sei hier Bozena erwähnt und natürlich der Andrii und seine Familie.

Sehr viel bedeuteten dem Hans in seinen letzten Lebensjahren auch die regelmäßigen Besuche seines Bruders Gerhard und seiner Schwester Elisabeth.

Sein letztes Lebensjahr, als er bereits sehr schwach war, kümmerte sich besonders aufopferungsvoll Andrii aus der Ukraine um ihn und machte seine letzten Monate so angenehm, wie es noch möglich war.

Mein Papa sprach die letzten 3 Jahre nur noch wenig, aber wenn, dann sprudelte es nur so aus ihm heraus.

Oft konnte er nicht mehr unterscheiden, ob etwas gestern passiert war oder vor 20 Jahren oder vor 50 Jahren.

So berichtete er bisweilen, soeben von einer Reise nach Frankreich oder einer Wanderung durch den Frankenwald zurückgekehrt zu sein, obwohl er längst ans Bett gefesselt war.

Noch Anfang Mai – 2 Tage vor seinem Tod – trug er dem Andrii auf, in der Schule anzurufen und dort Bescheid zu sagen, dass er morgen nicht zum Unterricht kommen könne.

Zwei Tage später, am 4. Mai 2023 schlief Hans Gesierich daheim friedlich in seinem Bett in seinem Haus ein.

Kontakt zur Steuerkanzlei Gesierich in Gilching