90 % Einstiegstest bei der Erbschaftsteuer vom Bundesfinanzhof abgeschafft – zumindest für Handelsunternehmen

Wenn Sie Betriebsvermögen erben oder geschenkt bekommen, bekommen sie 85 % – oder auf Antrag sogar 100 % Verschonungsabschlag. Das gilt zumindest auf die betriebsnotwendigen Wirtschaftsgüter, nicht jedoch auf sogenanntes „schädliches Verwaltungsvermögen“ (zum Beispiel Bankguthaben und Forderungen).

Bevor Sie aber überhaupt eine Vergünstigung bekommen, muss der verschenkte oder vererbte Betrieb den 90 % Einstiegstest bestehen. (§13b Absatz 2 Satz 2 ErbStG)

Was bedeutet das? Das Verwaltungsvermögen darf danach höchstens 90 % betragen.

Aber 90 % wovon? Beispiel: die Bilanzsumme ist 10 Millionen und das Bankkonto beträgt 2,5 Millionen. Man möchte meinen, das sind 25 % Verwaltungsvermögen – aber weit gefehlt! Angenommen die Firma hat auch hohe Schulden – zum Beispiel 2,5 Millionen – und der Wert der GmbH-Anteile beträgt nur 500.000 €. Das Finanzamt setzt nun 2,5 Millionen Bankkonto in Relation zum GmbH-Wert 500.000 und kommt auf eine Verwaltungsvermögens Quote von 500 %. Ergebnis laut Finanzamt: Einstiegstest nicht bestanden, es gibt überhaupt keine Vergünstigung! Nicht mal auf das begünstigte Betriebsvermögen.

Damit hat der Bundesfinanzhof jetzt aufgeräumt: BFH 13.9.2023, II R 49/21.

Schulden müssen von den Finanzmitteln abgezogen werden. Angenommen im Beispielsfall wären die Schulden 2,5 Millionen, dann wären die Finanzmittel – nach Saldierung – Null! Damit wäre der 90%-Test bestanden.

Das Urteil erging für ein Handelsunternehmen.

Ob das Urteil 1:1 auch für Produktions- oder Dienstleistungsunternehmen gilt, hat Bundesfinanzhof nicht entschieden.

Mein Rat: wenn Sie bereits geerbt haben (oder etwas geschenkt bekommen haben) und das Finanzamt will Ihnen den Verschonungsabschlag nicht gewähren, weil Sie den 90 %-Einstiegstest nicht schaffen, wehren Sie sich dagegen unter Hinweis auf obiges Urteil des Bundesfinanzhofs. Wenn Sie Ihre Nachfolge planen, dann seien Sie im Moment mal vorsichtig, denn man weiß noch nicht, ob man sich auf diese Grundsätze für alle Unternehmen verlassen kann, solange die Finanzverwaltung nicht reagiert hat.

Kontakt zur Steuerkanzlei Gesierich in Gilching