Jetzt doch Vorsteuerabzug bei Briefkastenadresse?

Die deutschen Finanzämter sind überkritisch, was die Adressangabe auf Rechnungen angeht. Ein Unternehmen hatte Rechnungen und Leistungen erhalten von einer GmbH, die unter der angegebenen Adresse zwar im Handelsregister eingetragen war, dort aber gar kein „richtiges“ Büro hatte.

Vielmehr war die Büroadresse der Sitz einer Kanzlei, die so genannte Domizil­adresse für zahlreiche weitere Firmen war. Das Finanzamt kam daher mit dem Totschlagsargument „Briefkastenfirma“ und strich den Vorsteuerabzug.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat das Finanzamt jedoch zurechtgewiesen und den Vorsteuerabzug gewährt. Begründung der Richter:

  • Der europäische Gerichtshof hat den Begriff „vollständige Anschrift“ bislang nicht konkretisiert. Daher kann die Angabe des handelsrecht­lichen Gesellschaftssitzes genügen.
  • Der Sitz des Unternehmens kann außerdem im Gegensatz zu dem Schwerpunkt der geschäftlichen Aktivitäten aus allgemein zugänglichen Quellen, zum Beispiel dem Handelsregister, bestimmt werden. Deswegen dient es der Rechtssicherheit, wenn der Sitz laut Handelsregister angegeben wird. Letztendlich nutzte dem Kläger auch, dass die Firma tatsächlich wirtschaftlich aktiv war und nicht an Steuerhinterziehungen teilgenommen hatte.  (FG Baden-Württemberg, 21.04.16, 1 K 1158/14; Revision anhängig).

Unser Rat: Es ist anzunehmen, dass der Bundesfinanzhof die Sache ähnlich großzügig beurteilen wird, aber keineswegs garantiert. Wenn es um Rechnungen mit hohen Mehrwertsteuerbeträgen geht, kann es daher nicht schaden herauszufinden, ob der Absender an dieser Adresse tatsächlich wirtschaftliche Aktivitäten entfaltet.

Herzliche Grüße
Dipl. -Kfm. Alfred Gesierich
Steuerberater für Seefeld

Kontakt zur Steuerkanzlei Gesierich in Gilching