Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf 8,50 Euro brutto Arbeitslohn pro Stunde Arbeitszeit. Aber was zählt überhaupt als Lohn? Leider hat der Gesetzgeber hier geschlampt: Das Gesetz enthält dazu keine Aussage. Deshalb ist man – so lange noch keine Gerichtsurteile vorliegen – auf die Meinung von Experten angewiesen.
Zuschläge: Zuschläge sind wohl anrechenbar, wenn sie als Gegenleistung für die Arbeitsleistung bezahlt werden, aber nicht anrechenbar, wenn sie Gegenleistung sind für die Leistungserbringung unter erschwerten Bedingungen (z. B. Schmutz, Nachtarbeit, gefährliche Arbeit). Beispiel: X ist Fensterputzer an Hochhausfassaden. Er erhält acht Euro Stundenlohn plus einen Euro Gefahrenzulage plus einen Euro Branchenzuschlag. Der Branchenzuschlag ist anrechenbar, die Gefahrenzulage hingegen nach herrschender Meinung nicht. Durch die Anrechnung der Branchenzulage kommt der Fensterputzer jedoch über den Mindestlohn (acht + eins = neun Euro).
Weihnachtsgelder: X arbeitet auf 40 Stunden-Basis und erhält 1.400 Euro mal 13. Würde das Weihnachtsgeld angerechnet, käme X auf einen Stundenlohn von 8,76 Euro, und der Mindestlohn wäre erfüllt. Wird es nicht angerechnet, kommt er nur auf 8,08 Euro, und das wäre rechtswidrig. Die Rechtslage und die Expertenmeinungen sind hier völlig unklar.
Unser Rat: Sofern möglich, sollten Arbeitgeber, die auf Nummer Sicher gehen, also das Weihnachtsgeld in zwölf Monatsraten vorauszahlen (dann wird es definitiv angerechnet) oder am besten ganz abschaffen und dafür das reguläre Monatsgehalt anheben.
Folgende Zahlungen sind (wohl) nicht auf den Mindestlohn anrechenbar:
- Provisionen: Variable Provisionen werden nicht für die „normale“ Arbeitsleistung gezahlt. Es gibt keine Garantie, dass und wie viel Provision der Mitarbeiter erhält. Daher keine Anrechnung.
- Tantiemen, Bonuszahlungen: unsicher, daher nicht anrechnungsfähig.
- Vermögenswirksame Leistungen: keine Anrechnung (EuGH, 07.11.13, NZA 13, 1359).
- Beiträge des Arbeitgebers zur betrieblichen Altersversorgung: keine Anrechnung. Zahlungen aufgrund einer Entgeltumwandlung nach § 1a BetrAVG werden aber schon angerechnet.
- Aufwandsersatz (sofern es sich wirklich um Aufwandsersatz und nicht um eine pauschalierte Vergütung handelt): keine Anrechnung. Beispiel: Ersatz von Fortbildungskosten, Reisekosten, Wäsche, Wegegelder.
- Trinkgelder sind freiwillige Leistung des Gastes. Daher keine Anrechnung.
Herzliche Grüße
Dipl. -Kfm. Alfred Gesierich
Steuerberater für Germering